Mannheim, ich stehe auf dem Bahnhof. Wenigstens kann man
hier wieder atmen. In der S-Bahn war nur stehen möglich, Stehen im
Körperkontakt mit vielen Fremden. Es stank, nach schlechter Hygiene und
verschmort. Ich lehnte mich gegen eine Trennwand, schloß die Augen und träumte
mich an einen schönen Ort, was mir nicht so richtig gelingen wollte. Das sind
so die Situationen, in denen ich an den Himmel denke… auch wenn es ganz sicher
ein Fehler ist, sich den Himmel einfach nur als angenehmen Ort auszumalen.
Naja, vielleicht brauch man in einer überfüllten Bahn nicht
gleich an den Himmel denken – warum nicht stattdessen an die Weite der Provence
oder einen Strand auf den Malediven, auf denen ich freilich noch nie gewesen
bin? Ja- warum nicht? Das Ganze lässt mich an die Versuchung Jesu denken. Dem
hat man angeboten, in einer zugegebenen nicht nur höchst unangenehmen, sondern
eher lebensbedrohlichen Situation, alles zu haben. Jetzt sofort alles. Dabei ist
all das bei näherem Hingucken an Absurdität nicht zu übertreffen. Satan bietet
Jesus die Erde mit all ihrer Pracht, ihrem Reichtum, ihrer Schönheit… jetzt
sofort. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: IHM, in dem und zu
dem hin alle Dinge gemacht sind, alle Dinge, auch der majestätische Orionnebel
oder dieser tolle Sonnenuntergang damals in Pienza, sollen alle Reiche auf
einem sehr schönen aber doch recht kleinen und teilweise im Chaos versinkenden Planeten
gegeben werden?! Geradezu lächerlich, wo er in einem Handstreich all das
vernichten oder neu erschaffen könnte. Lächerlich – aber Jesus lacht nicht. Ist
er so entkräftet, so in seiner Menschlichkeit versunken, dass er diese
Tatsachen vergißt? Keine Majestät, keine Großspurigkeit, keine Herablassung
gegenüber dem Versucher. Jesus lacht nicht, Jesus glaubt. Glaubt im
Ausgeliefertsein seiner Situation. Er sagt nicht: „Pech gehabt, Satan.
Schlechtes Angebot. Hab‘ ich alles schon, auch wenn’s grad nicht so aussieht.“.
Hätte er so argumentiert, so hätte Satan sich vielleicht herausgefordert
gesehen, größere Angebote zu machen. Jesus hätte sich implizit auf einen Handel
eingelassen. Aber so macht er klar: Nichts, was Du bieten kannst, könnte mich
dazu bringen, dich, Satan, anzubeten. Er argumentiert aber auch nicht anders
herum „Gott gibt mir viel mehr und deswegen bete ich ihn an.“ Nein. Kein
„deswegen“. „Du sollst den Herrn, Deinen Gott anbeten und ihm allein dienen.“
Ein Gebot, ohne Begründung. Ohne „Er wird Dir geben, was Dein Herz sich
wünscht.“ – darum geht es hier nicht. Es geht nicht um uns. Anbetung gebührt
Gott, nicht weil er gibt, sondern weil er ist.