Mittwoch, 21. Januar 2015


Jesus lachte nicht



Mannheim, ich stehe auf dem Bahnhof. Wenigstens kann man hier wieder atmen. In der S-Bahn war nur stehen möglich, Stehen im Körperkontakt mit vielen Fremden. Es stank, nach schlechter Hygiene und verschmort. Ich lehnte mich gegen eine Trennwand, schloß die Augen und träumte mich an einen schönen Ort, was mir nicht so richtig gelingen wollte. Das sind so die Situationen, in denen ich an den Himmel denke… auch wenn es ganz sicher ein Fehler ist, sich den Himmel einfach nur als angenehmen Ort auszumalen.
Naja, vielleicht brauch man in einer überfüllten Bahn nicht gleich an den Himmel denken – warum nicht stattdessen an die Weite der Provence oder einen Strand auf den Malediven, auf denen ich freilich noch nie gewesen bin? Ja- warum nicht? Das Ganze lässt mich an die Versuchung Jesu denken. Dem hat man angeboten, in einer zugegebenen nicht nur höchst unangenehmen, sondern eher lebensbedrohlichen Situation, alles zu haben. Jetzt sofort alles. Dabei ist all das bei näherem Hingucken an Absurdität nicht zu übertreffen. Satan bietet Jesus die Erde mit all ihrer Pracht, ihrem Reichtum, ihrer Schönheit… jetzt sofort. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: IHM, in dem und zu dem hin alle Dinge gemacht sind, alle Dinge, auch der majestätische Orionnebel oder dieser tolle Sonnenuntergang damals in Pienza, sollen alle Reiche auf einem sehr schönen aber doch recht kleinen und teilweise im Chaos versinkenden Planeten gegeben werden?! Geradezu lächerlich, wo er in einem Handstreich all das vernichten oder neu erschaffen könnte. Lächerlich – aber Jesus lacht nicht. Ist er so entkräftet, so in seiner Menschlichkeit versunken, dass er diese Tatsachen vergißt? Keine Majestät, keine Großspurigkeit, keine Herablassung gegenüber dem Versucher. Jesus lacht nicht, Jesus glaubt. Glaubt im Ausgeliefertsein seiner Situation. Er sagt nicht: „Pech gehabt, Satan. Schlechtes Angebot. Hab‘ ich alles schon, auch wenn’s grad nicht so aussieht.“. Hätte er so argumentiert, so hätte Satan sich vielleicht herausgefordert gesehen, größere Angebote zu machen. Jesus hätte sich implizit auf einen Handel eingelassen. Aber so macht er klar: Nichts, was Du bieten kannst, könnte mich dazu bringen, dich, Satan, anzubeten. Er argumentiert aber auch nicht anders herum „Gott gibt mir viel mehr und deswegen bete ich ihn an.“ Nein. Kein „deswegen“. „Du sollst den Herrn, Deinen Gott anbeten und ihm allein dienen.“ Ein Gebot, ohne Begründung. Ohne „Er wird Dir geben, was Dein Herz sich wünscht.“ – darum geht es hier nicht. Es geht nicht um uns. Anbetung gebührt Gott, nicht weil er gibt, sondern weil er ist.