Eine meiner Lieblingsgeschichten (selbst-erlebt natürlich)
Es war ein verschlafener Morgen in Pienza, Toskana. Verschlafen, weil es schon weit nach Sonnenaufgang war, als ich erwachte - viel zu spät für einen ambitionierten Hobbyfotografen. Aber auch viel zu früh, um fotografische Ansinnen aufzugeben. Nach einem fürstlichen Frühstück packte ich also meine Fotoausrüstung in meinen kleinen grauen Mietfiat und machte mich auf die Suche nach den Mohnblumenfeldern, um derentwillen ich mich auf dieses wunderschöne Fleckchen Erde begeben hatte. Wie immer legte sich der Wagen geschmeidig in die Kurven, die Serpentinen, die sich von dem alten kleinen Städtchen hinunter ins Tal wanden. Ja, hier gab es ein paar spärlich gesäte Mohnblumen zwischen allerlei grünem Kraut. Die Regentropfen glitzerten in der Vormittagssonne auf den Blütenblättern. Wenigstens ein guter Grund, sich einmal mehr nasse Füße zu holen. Ich hatte bald unter den Tausenden meine Lieblingsblume gefunden, mein Modell. Sie war mir sympathisch, weil sie ein wenig erschöpft aussah zuerst. Doch sobald der Wind in ihren Blättern zauste, wurde sie wunderschön füllig und breitete ihr ganzes leuchtendes Rot vor den Sonnenstrahlen aus. Wenn das verschroben oder verliebt klingt, kann ich nur sagen: mit voller Absicht. Wie sollte man fotografieren, wenn nicht mit Zärtlichkeit? Und wie zu erwarten, wurden ein paar nicht schlechte Bilder daraus. Jedenfalls fand ich das und trollte mich mit ein wenig Stolz und einem großen Lächeln im Gesicht.
Wie wäre es jetzt mit "La Foce", dachte ich mir, jener viel fotografierten Zick-Zack-Zypressenstraße. Ein Blick von ferne verriet, dass das Licht nicht gut war für diese Situation. Wen wunderte es, Mittagslicht eben. Zeit für eine Siesta. Und da ich aufmerksamen Auges durch die Gegend fuhr, entging mir das Hinweisschild nach Monticchiello nicht. Ich hielt inne... hatte ich nicht gestern erst jemanden von diesem malerische mittelalterliche Dorf schwärmen hören? Vielleicht konnte ich mich dort eine Weile in ein Café setzen, eine Kleinigkeit essen...
Also bog ich in den abenteuerlichen Feldweg ein, der mich nach Monticchiello bringen sollte. Was er auch tat. Nach den üblichen Kurven und einer Menge Rollsplit tauchte endlich der bebaute Hügel vor mir auf. Ein Parkplatz bot sich zur Rechten an ... aber schließlich wollte ich ganz nach oben, und so nahm ich lieber den steilen Hang nach Links. Es stellte sich heraus, dass das mittelalterliche Stadttor selbst für meinen Fiat zu schmal war, und mit aller Eleganz eines jahrelangen Auto-Abstinenzlers wendete ich. Am Hang gab es eine kleine Parklücke. Aber ich war schließlich auch klein, entschied ich, und würde sicherlich da reinpassen. Also schlug ich ein - und merkte alsbald, dass ich wohl mehrere Züge benötigen würde. Vorbei war es mit den galanten Schwüngen... der Rückwärtsgang spurte nicht so recht. Auf jeden Fall ging er mir einige Male aus. Natürlich musste ausgerechnet bei diesem bisher schwierigsten motorisierten Manöver meines Urlaubs ein Café mit Panorama-Terasse gleich auf der anderen Straßenseite liegen. Ich trug mein Unvermögen also mit Fassung und legte all meinen Charme in ein hilfloses Grinsen in Richtung der wild gestikulierenden Herren. Es überraschte mich direkt selbst, dass ich nicht direkt im Erdboden versank. Und so lächelte ich gleich noch ein bisschen weiter. Das alles endete peinlicherweise damit, dass zwei charmante Herren mittleren Alters ihre mir im Wege stehenden Fahrzeuge ca. zwei Meter hangabwärts parkten. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Allerdings konnte ich bei soviel rührender Hilfsbereitschaft nicht anders, als mich pflichtschuldigst in dieses Café vor dem Stadttor zu setzen.
Es stellte sich heraus, dass es abseits aller Peinlichkeit eine vortreffliche Wahl war, und zwar in jeder Hinsicht. Ich wurde gegen meinen Willen gezwungen, die beste Bruschetta von allen zu bestellen (nun ja, die Wirtin begann so zu strahlen, als sie auf Nachfrage erklärte, dass das Brot mit REINEM SCHWEINEFETT belegt sei, dass ich mein entsetztes "nein danke" herunterschluckte und lächelnd in die Bestellung einwilligte). Und dann wurde an diesem wunderbar schattigen Ort, an dem ich wider Willen saß, klassische Musik aufgelegt. Hach, ich war also doch richtig. Ich begann, ein wenig zu schreiben und genoss meinen Cappucino und nicht minder meine Bruschetta. Natürlich guckte ich mich auch ein wenig neugierig um. An einem der Nachbartische saß der freundliche rothaarige Mensch, der sein Auto meinetwegen umgeparkt hatte mit seinem Laptop. Als er aufschaute, grinste ich ihn ein wenig entschuldigend an. Er grinste zurück und sagte: "You drive like me...". Da musste ich ihn doch direkt ins Herz schließen. Gott war gut zu mir! Aber es kam noch besser:
Es stellte sich heraus, dass der Rothaarige mit zwei Freunden hier war, die er bisher nur von Flickr (ja, die Untiefen des Internets!) kannte, um zu fotografieren. Begeistert horchte ich auf und fragte nach, ob sie schon Pläne für heute nachmittag hätten. Ob ich mich ihnen anschließen könne?
Nun, ich erhielt ein Ja zur Antwort und durfte dann die Bekanntschaft dreier begeisterter Fotografen machen: Sven*, ein junger Deutscher, der rothaarige Amerikaner Chriss* und der Südafrikaner Vignette-Vince*. Der hatte den elektronischen "Photographer's Guide to Tuscany" dabei, mit hilfe dessen er sämtliche Hot-Spots checkte. Und wir waren quasi im Handgepäck dabei in dem Tiefflieger, der von dem freundlichen Rothaarigen in einem weitaus riskanteren Fahrstil als dem meinigen zu allen Zielen gesteuert wurde. Leider war uns das rechte Licht nicht hold, und so genossen wir in einer ländlichen Absteige ur-italienischen Cappucchino. Die drei Herren konnten sich nicht so recht erklären, dass ich als junge Frau alleine mit der Kamera durch die Toskana fuhr... und so mutmaßten sie, dass ich wohl Profi wäre. Das verneinte ich entschieden. Aber bald stand ich neben einem Profi am Feldrand! Wir warteten auf die warmen Strahlen der Abendsonne - und wir wurden nicht enttäuscht!
Als der Abend mit einem fantastischen Essen (nach Sonnenuntergang, versteht sich) ausgeklungen war, konnte ich Gott nur danken. Was er mal wieder aus diesem Tag gemacht hatte, der noch in den Missmut der letzten Zeit getaucht begonnen hatte...
*Namen selbstverständlich gefälscht.